Internal Investigations – Buchert Jacob Peter

Kosten für Compliance-Ermittlungen (Internal Investigations) einer spezialisierten Anwaltskanzlei

Das Urteil des BAG vom 29.04.2021 – 8 AZR 276/20 – klärt, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Kosten zu erstatten hat, die diesem durch die Beauftragung einer spezialisierten Anwaltskanzlei mit Compliance-Ermittlungen (internen Ermittlungen) entstanden sind.

Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die rechtliche Beurteilung ob und inwieweit eine Kostenerstattungspflicht des Arbeitnehmers besteht, wenn wegen des Verdachts eines erheblichen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers eine externe Anwaltskanzlei mit der Aufklärung des Verdachts beauftragt wird und der Arbeitnehmer aufgrund der Ermittlungen einer vorsätzlichen Begehung von Vertragsverletzung oder unerlaubten Handlung überführt wird.

Nach § 249 Abs. 1 BGB hat der Ersatzpflichtige auch die Aufwendungen zu ersetzen, die zur Abwendung der drohenden Nachteile oder zur Beseitigung oder Verhinderung der Störung oder des Schadens erforderlich sind. Das BAG verweist hier auf § 254 BGB, der dem Geschädigten eine sog. Schadensminderungsobliegenheit auferlegt, um den Schaden so gering wie möglich zu halten. Es muss sich also um Ermittlungs- bzw. Aufklärungsmaßnahmen handeln, die ein verständiger Arbeitgeber unter den gegebenen Umständen für erforderlich und zweckmäßig gehalten hätte. Dabei betont das BAG, dass bei der Beauftragung externer Dritter eigene Ermittlungen des Arbeitgebers für diesen unzumutbar oder nicht durchführbar gewesen sein dürfen.

Ein weiterer zentraler Punkt des Urteils ist die Präzisierung des Verdachtsmoments. Es muss ein konkreter und dringender Verdacht einer schwerwiegenden vorsätzlichen Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vorliegen. Dieser Verdacht muss objektiv auf Tatsachen beruhen, die geeignet sind, den Arbeitgeber zur Kündigung des Arbeitnehmers zu bewegen. Der Anspruch auf Kostenerstattung entsteht jedoch nur, wenn sich der Verdacht im Rahmen der Ermittlungen auch bestätigt.

Liegen die Voraussetzungen vor und bestätigt sich der Verdacht durch die Ermittlungen, steht § 12a ArbGG dem Anspruch auf Erstattung der entstandenen Kosten nicht entgegen. Grundsätzlich schließt § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG sowohl prozessuale als auch materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche aus, um das erstinstanzliche arbeitsgerichtliche Verfahren für den Arbeitnehmer kostengünstig und das Kostenrisiko begrenzt zu halten. Allerdings stellt das BAG klar, dass dieser Schutz entfällt, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten vorsätzlich verletzt oder eine unerlaubte Handlung begangen hat, durch die dem Arbeitgeber erhebliche Nachteile entstanden sind. Könnte der Arbeitnehmer in einem solchen Fall verlangen, dass der Arbeitgeber die durch den vorsätzlichen Verstoß verursachten Kosten selbst trägt, würde dies dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB widersprechen und den Sinn und Zweck des § 12a ArbGG unterlaufen. Es erscheint daher geboten, § 12a ArbGG teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass der Arbeitgeber bei vorsätzlicher Pflichtverletzung oder unerlaubter Handlung des Arbeitnehmers Ersatz seiner Aufwendungen erhält.

Entscheidend für den Erstattungsanspruch ist letztlich die substantiierte Darlegung des Arbeitgebers, welche konkreten Aufklärungsmaßnahmen zu welchem Zeitpunkt und aufgrund welchen Verdachts durchgeführt wurden, um die Erforderlichkeit und Angemessenheit der entstandenen Kosten zu belegen. Hierzu gehört auch eine detaillierte Aufschlüsselung der Tätigkeit der beauftragten Anwaltskanzlei.

Insgesamt stärkt das Urteil die Position des Arbeitgebers bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers, indem es klarstellt, dass die Kosten externer Ermittlungen unter bestimmten Voraussetzungen erstattungsfähig sind. Gleichzeitig unterstreicht es die Notwendigkeit eines sorgfältigen und verhältnismäßigen Vorgehens des Arbeitgebers.


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